die Ostertage stehen kurz bevor. Was hat uns diese Woche besonders beschäftigt?
Derzeit gibt es 1.599 laborbestätigte Fälle in Brandenburg. Eine Steigerung um 75 zum Vortag. 40 von ihnen werden derzeit intensivmedizinisch betreut. Einer davon in Frankfurt. 28 Personen müssen künstlich beatmet werden. 35 Menschen sind verstorben. Das sind etwa 2,1 Prozent und zeigt den Unterschied zwischen – noch – optimaler medizinischer Versorgung zu einer Überlastung des Gesundheitssystems wie in Italien, Spanien oder den USA.
Die ILB bearbeitet derzeit 2.800 Soforthilfe-Anträge pro Tag. 62.000 Anträge wurden bis jetzt eingereicht. Bis Ende April sollen alle Auszahlungen erfolgen. 87 Millionen Euro wurden bereits ausgezahlt.
Die Abiturprüfungen sollen stattfinden. Das bringt Fragen mit sich. Neben der organisatorischen Herausforderung gibt es vor allem ein akutes Problem: polnische Schülerinnen und Schüler. Nach den derzeitigen Regeln müssten Sie bei einer Rückkehr nach Słubice 14 Tage in Quarantäne. Vier Prüfungen sind abzulegen. Wir bemühen uns daher gemeinsam mit der Słubicer Verwaltungsspitze um Ausnahmegenehmigungen. Sollten diese nicht erteilt werden, läuft es auf eine zeitweise Internatsunterbringung hinaus.
Wir haben in dieser Woche einige Arbeiten wieder intensiver aufgenommen, die in den letzten Tagen etwas zurückstehen mussten.
Die Haushaltsplanung nimmt wieder Fahrt auf. Langfristige Projekte müssen weitergeführt, konzeptionelle Arbeiten vorangetrieben werden und auch die Arbeit mit der Stadtverordnetenversammlung wurde seit zwei Wochen wieder aufgenommen.
Auch in dieser Woche gab es die nun wöchentliche Telefonkonferenz mit dem Präsidium sowie den Fraktions- und Ausschussvorsitzenden. Für nächste Woche haben wir einige Fragen und Themen mitgegeben bekommen, die wir bestmöglich abarbeiten.
Eine Verordnung des Landes zur Gestaltung der Arbeit der SVV in der Krisenzeit ist auf dem Weg zur Diskussion und Beschlussfassung im Landtag.
Im Mittelpunkt der Arbeit des Krisenstabes stand die Bewertung des vergangenen Wochenendes und eine Prognose für das kommende. Vom Verhalten der Bürgerinnen und Bürger hängt wesentlich die Entscheidung über weitere Maßnahmen ab. Ich habe wie immer versucht, mir selbst ein Bild zu machen. War in Einkaufsmärkten und an verschiedenen Orten der Stadt, um zu sehen wie es funktioniert. Denn es war auch das erste warme Wochenende. Und die Ostertage liegen direkt vor uns. Wir wollen in der Balance zwischen Freiheiten und Einschränkungen Maß und Mitte halten. Das heißt: Notwendige Einschränkungen konsequent umsetzen. Zugleich aber auch das Maß an Freiheit ermöglichen, dass uns die Verordnungen in der Umsetzung bieten. Je nach Verhaltensweisen in unserer Stadt ist diese Vorgabe innerhalb von weniger als einer Stunde auch änderbar. Das heißt: Je vernünftiger und eigenverantwortlicher die Menschen, desto weniger werden wir eingreifen müssen. Andersherum: Je unvernünftiger, desto stärker werden wir die Verordnungen durchsetzen.
Den wachsenden Unmut einiger von Ihnen über die Einschränkungen durch die geltenden Regelungen kann ich nachvollziehen. Allerdings – das muss ich so klar sagen - ist der nun vom Land vorgegebene Rahmen nicht verhandelbar. Denn es geht klar darum, Menschenleben zu schützen! Und an diesem Punkt gibt es keine Kompromisse und auch keine Güterabwägung.
Die momentan vergleichsweise „entspannte“ Situation in Frankfurt darf nicht dazu führen, dass wir a) nachlässiger in unseren vernunftgesteuerten Entscheidungen werden, den Verordnungen nachzukommen, und dass wir b) Frankfurt (Oder) isoliert betrachten. Beides wäre fahrlässig.
Uns allen muss bewusst sein, dass sich die Lage sehr schnell ändern kann und dass sie rundherum auch schon deutlich ernster ist.
Täglich bekomme ich Lageberichte aus dem Rest des Landes. Potsdam liegt mittlerweile bei etwa 300 Fällen. Barnim über 200. Auch MOL und LOS sind deutlich über den 100er Werten. Jeden Tag gehen mittlerweile Todesmeldungen ein. Deshalb mein dringender Appell: Denken Sie nicht nur an Frankfurt. Wir leben hier nicht auf einer Insel. Und denken Sie nicht nur an die momentane Lage. Sie kann sich jeden Tag durch das Verhalten Einzelner verschärfen.
Daher ist mir besonders wichtig, Maß und Mitte zu halten bei der Umsetzung der Eindämmungsverordnung vor Ort bei uns. Dabei geht es vor allem auch (im Außendienst des Amtes für Ordnung und Sicherheit sowie den Kolleginnen und Kollegen der Polizei) darum, Einzelfallbewertungen vorzunehmen. Mal mit der notwendigen Empathie und freundlichen Hinweisen. Und mal mit unabdingbarer Autorität.
Immer häufiger erlebe ich die Diskussion über eine Güterabwägung und die Frage welche Folgeschäden größer wären - mit oder ohne Maßnahmen. Dazu möchte ich folgendes sagen:
Erstens lässt sich diese Diskussion leicht führen, wenn man selbst nicht entscheiden muss und die Verantwortung für die Folgen nicht tragen muss. Aus der Entfernung lässt sich leicht sagen, dass „Menschen ja schließlich täglich auch auf andere Weise sterben“. Ich finde das zynisch und wüsste gerne: Wenn in Ihrer Hand die Entscheidung liegt, aus deren Folge Menschen sterben: Eltern, Geschwister, Großeltern, Heranwachsende. Möglicherweise auch Bekannte und Freunde. Und Sie wissen, dass Sie mit Ihrer Entscheidung dann unmittelbar dazu beigetragen haben. Wie fühlt sich die Diskussion dann an?
Und zweitens: Was ist das für eine Illusion zu glauben, dass ein komplettes Zurückdrehen der Maßnahmen zu einem Normalzustand führen würde. Glauben diejenigen ernsthaft, dass in der Folge dann alles normal läuft? Nein. Hunderttausende, Millionen werden sich dann sehr schnell infizieren. Menschen wären krank. Sehr viele Menschen. Manche schwer. Andere weniger. Diejenigen die nicht krank wären, hätten Angst davor es zu werden. Alle wären in irgendeiner Weise betroffen. Unter diesen Umständen wird kein Unternehmen auch nur ansatzweise so arbeiten können wie vorher. Keine Einrichtung wäre im Normalbetrieb. Kein Geschäft würde laufen wie vorher – denn das träfe Inhaber und Kunden genauso.
Was ist das also für eine irrige Diskussion, dass wir derzeit die Wahl hätten zwischen: Einschränkungen und Normalität. Es gibt nur eine Wahl zwischen der Art und Weise und dem Maß der Einschränkungen. Das ist meine Überzeugung.
Ein großes Dankeschön an all diejenigen, die sich – so schwer es fallen mag – weitsichtig, geduldig und im Sinne aller an die Vorgaben halten und ihre physischen Sozialkontakte auf ein Minimum einschränken. Eine Vielzahl der Frankfurterinnen und Frankfurter hat von Beginn an schnell und besonnen reagiert und sich mit der Ernsthaftigkeit der Krisensituation „arrangiert“. Diesem vorbildlichen Verhalten ist es in weiten Teilen zu verdanken, dass sich die laborbestätigten Fallzahlen momentan in medizinisch sehr gut zu versorgenden Bereichen bewegen.
Eine Frage, die mich mittlerweile immer häufiger erreicht, ist die nach dem Ende der Krise und damit verbundenen Lockerungen bzw. der Rückkehr zu unserer gewohnten Normalität wie wir sie vor wenigen Wochen kannten. Ein Wunsch, den ich gut verstehe. Doch befinden wir uns, auch wenn es sich sicher für uns alle anders anfühlt, noch immer am Anfang der Wegstrecke. Um das Corona-Virus nicht mehr als Gefahr „sehen“ zu müssen, müssten einer oder auch zwei Faktoren zusammenkommen: Entweder eine medizinische Lösung im Sinne eines funktionierenden Impfstoffs oder eines Medikaments. Oder das Erreichen der sogenannten Herdenimmunität. Das heißt, ein hoher Prozentsatz einer Bevölkerung (etwa 70 Prozent) hat die Krankheit durchlaufen und ist immun gegen das Virus. Ersteres weltweit und flächendeckend zu gewähren, wird aller Voraussicht nach in den nächsten Monaten noch nicht der Fall sein können. Von Letzterem sind wir, mit Blick auf die Zahlen, noch sehr weit entfernt. Wir haben aktuell deutschlandweit 107.663 laborbestätigte Infektionen. Selbst wenn wir einen „Worst Case“ annehmen würden und diese Zahl verzehnfachen – also davon ausgehen, dass nur 1 von 10 diagnostiziert wurde – wären wir bei etwa 1 Millionen Menschen. Für die besagten 70 Prozent müssten es etwa 58 Millionen sein.
Das zeigt, an welchem Punkt wir derzeit stehen. Es wird die Aufgabe der kommenden Wochen sein, eine Balance zu finden, zwischen Infektionen die auch durch die Lockerung von Maßnahmen zwangsläufig erfolgen werden. Und zugleich einem Einschreiten, das eine Überforderung des Gesundheitssystems verhindert, um Todesfälle so gut es geht zu vermeiden.
Insgesamt ist es Ziel, eine Verdopplung der Fallzahlen im Rhythmus von zwölf Tagen zu erreichen, um eine medizinische Versorgung der Betroffenen gut leisten zu können. Derzeit verdoppeln sich die Fälle etwa alle acht Tage.
Perspektivisch gibt es für Frankfurt (Oder) also – je nach Entwicklung – sowohl Lockerungs- als auch Verschärfungsszenarien (Mundschutzpflicht, Zutrittsbeschränkungen für Kaufhallen etc.). In der Abwägung der einzelnen Maßnahmen spielt für mich auch das Stimmungsbild innerhalb der Stadt eine Rolle. Mir sind die Entbehrungen sehr bewusst, die die Frankfurterinnen und Frankfurter eingehen, und wir schätzen diese Vernunft sehr. Verschärfungen des geltenden Regelwerkes sind daher aus meiner Sicht nur bei absoluter Notwendigkeit vorzunehmen. Die Masse von Menschen wegen Einzelner zu „bestrafen“, halte ich für falsch. Das wäre wie ein Verbot Auto zu fahren, weil es vereinzelt unvernünftige Raser gibt. Sollte allerdings die dringende Notwendigkeit bestehen, steht eine Veranlassung außer Frage.
Der Schutz von Menschenleben hat für mich oberste Priorität. So hart oder ungerecht es sich zuweilen anfühlen mag, auf die Zufriedenstellung individueller Befindlichkeiten oder gar Egoismen müssen wir im Sinne der Allgemeinheit derzeit verzichten.
Ein Dankeschön an all jene von Ihnen, die genau diese Gedanken verstehen, teilen und beherzigen. Beispielgebende Multiplikatoren wie Sie benötigen wir genau in dieser Zeit!
Wir bereiten derzeit verschiedene Szenarien für die Zeit nach dem 19./20. April 2020 vor. Wahrscheinlich wird es zu ersten Lockerungen der Einschränkungen kommen. Sicher ist das aber nicht. Es gibt sowohl Szenarien für landesweite Regelungen, als auch für kommunale Entscheidungshoheit. Für letzteren Fall arbeiten wir derzeit Pläne und Schrittfolgen aus.
Ich wünsche Ihnen – trotz der Einschränkungen – erholsame und schöne Ostertage. Es wird sicher ein besonderes Ostern. Machen Sie das Beste daraus.
Ihr
René Wilke
Montag, 6. April 2020
Dienstag, 7. April 2020
Mittwoch, 8. April 2020
Donnerstag, 9. April 2020