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19.04.2016

Kreisreform: Oberbürgermeister schreiben offenen Brief an Ministerpräsident Woidke

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

in den zurückliegenden Monaten hat der Minister des Innern und für Kommunales gemeinsam mit dem Minister der Finanzen in insgesamt 25 Veranstaltungen über die von Ihrer Landesregierung geplante Verwaltungsstrukturreform informiert. In einer Vielzahl der Veranstaltungen waren auch Vertreter unserer kreisfreien Städte anwesend und haben diese inhaltlich begleitet.

Auch mehr als sieben Monate nach Beginn der offiziell als „Dialogprozess“ gestarteten Reihe hat sich bei uns Oberbürgermeistern, genauso wie bei einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern sowie politisch Verantwortlichen in unseren Städten und den uns umgebenden Landkreisen das Gefühl verfestigt, dass Vieles, aber sicher kein Dialog- und Diskussionsprozess geführt worden ist. Vielmehr fühlen wir - Bürgerschaft, Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik – uns im Nachhinein von Ihrer Landesregierung zu ausschließlich zu Protokollzwecken benötigten Statisten degradiert, deren mündlich und schriftlich geäußerten Argumente und Meinungen keinen oder nur sehr geringen Einfluss auf die Ausgestaltung der wichtigsten Reform dieser Legislaturperiode haben.

Wiederholt ist durch den Innenminister, aber auch durch Sie als Ministerpräsidenten kolportiert worden, die kreisfreien Städte würden sich nicht an der Debatte beteiligen. Wie Sie den dem Landtag zugestellten Unterlagen entnehmen können, haben wir uns sehr wohl mit sachlichen Argumenten, die in Schreiben an Sie und Ihren Innenminister, in Beschlüssen unserer Stadtverordnetenversammlungen und in Pressemitteilungen ihren Ausfluss gefunden haben, eingebracht. Es ist Ihre Landesregierung, die bis heute Antworten auf die vielen in den Diskussionen aufgeworfenen offenen Fragen und Argumente schuldig geblieben ist. Antworten, die erst die Grundlage für eine Sachdiskussion darstellen können.

Es ist gleichwohl nicht nur die Art des –fehlenden- Umgangs mit sachlichen Argumenten, die im Verlauf des Prozesses in weiten Teilen des Landes für Unmut gesorgt hat. Es sind insbesondere der in Teilen inakzeptable Umgang mit den kreisfreien Städten und der Versuch, diese gegen die Landkreise auszuspielen, der die Stimmung in unserem Land zu vergiften droht.

Es sind beispiellose und von Ihrer Seite unwidersprochene Vorfälle wie die Entgleisung des Innenministers beim Bürgerdialog am 15.9.2015 in Frankfurt (Oder), die unser Vertrauen nicht nur in den Innenminister, sondern auch in die politische Redlichkeit und Führungsqualität von Ihnen als Regierungschef erschüttert haben.

Wer um ein politisches Ziel zu erreichen nicht nur einzelne Verwaltungseinheiten, sondern ganze Standorte wiederholt öffentlich schlechtredet und ihrem Ansehen damit bewusst und nachhaltig Schaden zufügt, wird seiner Verantwortung für eine positive Entwicklung nicht gerecht. Dies gilt gleichermaßen für Jene, die beschuldigen als auch für die Personen, die die Beschuldigungen unwidersprochen im Raum stehen lassen.

Es überrascht nicht nur uns negativ, sondern auch eine Reihe von Landtagsabgeordneten, dass Ihre Landesregierung den von ihr initiierten Reformprozess nicht, wie es notwendig wäre, zu Ende führt, indem sie das von ihr eingebrachte Leitbild überarbeitet und mit Argumenten aus den Diskussionsprozessen anreichert, sondern diese Aufgabe – entgegen des Landtagsbeschlusses vom 14.12.2014 - nun an den Landtag delegiert.

Dass sich eine Landesregierung aus der politischen Verantwortung stiehlt und dem Parlament das Erledigen der eigenen Arbeit aufnötigt, ist ebenfalls ein politischer Vorgang, den es in der jüngeren Geschichte unseres Landes so noch nicht gegeben hat und der alles andere als positiv für das politische Ansehen unseres Landes ist.

Unabhängig der ungeklärten Frage, wer die Arbeit der Landesregierung machen soll, verbinden sich für uns mit der jetzigen Reform einige zentrale politische Fragen: Welche Ideen und Visionen hat Ihre Landesregierung für unser Land Brandenburg? Welchen Gestaltungsanspruch haben Sie? Wie kann es uns gelingen, Innovation, Wachstum und Fortschritt in der Mark zu generieren? Welche Rahmenbedingungen müssen wir gemeinsam schaffen, um das Erwirtschaften wieder über das Verteilen zu stellen? Wie wird die Reform den unterschiedlichen Lebensbedingungen und Strukturen in unserem Land gerecht? Allesamt Fragen, auf die der derzeitige Leitbildentwurf nicht im Ansatz Antworten gibt.

Fehlende politische Weitsicht und die augenscheinlich nicht bestehende Bereitschaft, mutig Visionen für unser Land des Jahres 2030 und darüber hinaus zu skizzieren, behindern nicht nur die Arbeiten an einer auch aus unserer Sicht notwendigen Funktional- und Verwaltungsstrukturreform, die den Namen wirklich verdient und ernsthaft Aufgaben zur Stärkung der kommunalen Ebene auf diese verlagert.

Das landesseitig abfällige Auftreten während der Regionalkonferenzen und der nur noch auf die Zwangsfusion von Kreisen und die Einkreisung von Städten reduzierte Leitbildentwurf sind Gift für die politische und demokratische Entwicklung in unserem Land.

Wo sich Landespolitik mangels eigener Ideen aus ihrer verfassungsrechtlichen Verantwortung für den Ausgleich zwischen zentrumsnahen und peripheren Regionen zurückzieht, entsteht ein Vakuum, das von Großkreisen demokratisch nicht aufgefüllt werden kann.

Mit ihrem abfälligen Auftreten in den Regionalkonferenzen und dem mangelnden Willen, sich mit den kritischen Argumenten der Bürgerschaft und ihrer Vertreter auseinanderzusetzen, hat die Landesregierung kein Paradebeispiel für funktionierende Demokratie vor Ort vorgelebt. Entsprechend schnell und nachhaltig gilt es umzusteuern: Den Bürgern zuhören und ihre Argumente ernst nehmen muss die Devise sein.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

der nicht nur verbal geringschätzige Umgang mit uns kreisfreien Städten und Vertretern unserer Bürgerinnen und Bürger trägt zur Vergiftung des politischen Klimas in unserem Land bei.

Wiederholt haben wir Sie darauf hingewiesen, dass wir kreisfreie Städte in zentralen landesseitig übertragenen Aufgaben, insbesondere in der durch Bundes- und Landesgesetze geprägten Sozialpolitik, nicht ausfinanziert sind. Diese Analyse wurde durch unser Landesverfassungsgericht und die eigenen Landesgutachter (z.B. von Frau Prof. Färber auf dem Kongress in Cottbus) mehrfach bestätigt. Anstatt landesseitig den Städten ihre Selbständigkeit zu nehmen und deren Lasten einfach auf die Umlandkreise zu übertragen, sollte an den wahren Ursachen der Unterfinanzierung gearbeitet und durch Ihre Landesregierung ein tragfähiges neues Finanzausgleichsgesetz vorgelegt werden.

Was wir und unser Land brauchen und Ihnen auf diesem Wege nochmals anbieten, sind ehrliche, aber ergebnisoffene Gespräche über Ursachen und Lösungsmöglichkeiten für die finanzielle Schieflage nicht nur, aber auch der kreisfreien Städte im Land Brandenburg.

Trotz wiederholten Bemühens, auf unsere Hinweise und Fragen eine zufriedenstellende Antwort von Ihrer Landesregierung zu erhalten, haben wir in den vergangenen Wochen Ihrerseits keine Anzeichen eines ernsthaften Dialogs uns erkennen können.

Wir fordern Sie mit diesem offenen Brief erneut auf, mit uns gemeinsam Lösungen für die Herausforderungen unseres Landes zu finden. Die Tür zu gemeinsamen Gesprächen mit uns ist nach wie vor offen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Dietlind Tiemann               Dr. Martin Wilke                Holger Kelch

Oberbürgermeisterin               Oberbürgermeister          Oberbürgermeister

Brandenburg an der Havel       Frankfurt (Oder)               Cottbus